Schon mehrfach wollte ich einen Artikel über Wolfang Herrndorfs Blog schreiben. Zweimal habe ich begonnen und sie dann doch wieder gelöscht.
Ich stolperte erst durch den Tod des Autors Wolfgang Herrndorf über seinen Blog Arbeit und Struktur.
„Achja, ‚Tschick‘ ist doch von ihm… das wolltest du doch auch noch lesen.“ Mittlerweile habe ich ‚Tschick‘ gelesen – zehnmal mehr gefesselt hat mich jedoch Herrndorfs Blog, den ich innerhalb von zweieinhalb Tagen von Ende bis Anfang (ja, richtig) durchgelesen habe wie ein Buch. Wie ein Buch ist ein gutes Stichwort, denn sein Blog wurde nun in Buchform veröffentlicht und ich möchte meine wärmste Empfehlung dafür aussprechen. Natürlich kann man auch den Blog am Stück durchlesen, je nach Präferenz. Aber lesen solltet ihr die Inhalte.
Herrndorf schreibt gnadenlos ehrlich über die Zeit nach seiner Hirntumor-Diagnose. Eins will er damit sicher nicht erreichen: Mitleid. Im Gegenteil; er schildert unter anderem den Kontaktabbruch zu einer Freundin, weil deren Stimme und Worte genau das für ihn transportieren: Mitleid. Und dieses erträgt er nicht.
Herrndorf stellt für mich in seinem Werk „Arbeit und Struktur“ sein Schreibtalent weit mehr unter Beweis als in ‚Tschick‘. Die Texte seines Blogs vereinen Slapstick und Todessehnsucht, Klar- und Wahnsinn.
„Während ich mit der Brötchentüte an der Ampel stehe, sehe ich neben mir einen unter seinem Schulranzen begrabenen Erstklässler und schaue in den Himmel, damit er mich nicht weinen sieht. Er weiß nicht, dass er sterben wird, er weiß es nicht, er weiß es nicht, er weiß es nicht.“
„Gestern haben sie mich eingeliefert. Ich trug ein Pinguinkostüm. Auf dem Mäuerchen um die Neuropsychatrie herum sitzt eine Schulklasse. Mein Bedürfnis, unter Zucken und Schreien einen Zettel durchs Fenster hinunterzuwerfen, wächst: Hilfe! Ich bin nicht verrückt! Ich werde gegen meinen Willen hier festgehalten! Das mit dem Pinguinkostüm war nur ein Scherz!“
Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.
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