Warum hat mich Beautiful Things von Hunter Biden so angezogen? Ich kann diese Frage nicht klar beantworten – dafür aber umso mehr erklären, weshalb ich froh bin, dass es so war.
Inhalt kurz zusammengefasst
Hunter Biden, Sohn des derzeitigen US-Präsidenten, erinnert sich in Beautiful Things an den Höllenritt, als den man sein Leben eine lange Zeit wohl getrost bezeichnen kann. Als er ein kleines Kind ist, verunglücken seine Mutter und seine Schwester bei einem Verkehrsunfall tödlich – er selbst und sein Bruder Beau saßen mit im Fahrzeug. Das Trauma schweißt die beiden auf nahezu unvergleichliche Weise zusammen. Umso schicksalhafter ist, dass Hunter seinen Bruder im Jahr 2015 aufgrund eines Hirntumors verliert.
Auch vor diesem erneuten Einschnitt durchlebte Hunter Biden bereits eine lange Phase des Alkoholismus. Der Absturz nach dem Tod seines Bruders erreicht jedoch ein noch erschreckenderes Ausmaß in Form einer massiven Crack-Abhängigkeit.
Währenddessen bahnt sich sein Vater den Weg, neuer Präsident der Vereinigten Staaten zu werden und Donald Trump integriert Hunter Biden in Form seiner „Where’s Hunter?”-Aktion in seinen Wahlkampf.
Doch wenn es eins gibt, das ihn in dieser Zeit noch am Leben hält und in ein lebenswürdiges Dasein zurückholt, dann ist es die Liebe.
Wie war Beautiful Things?
Ich habe es verschlungen und binnen weniger Tage beendet, was für mich momentan eine Seltenheit ist. Ob beim Zähneputzen oder in der Mittagspause, Beautiful Things war dabei. Müsste ich es kurz beschreiben, würde ich sagen, diese Memoiren sind eine Abrechnung und Liebeserklärung zugleich.
Hunter Biden rechnet schonungslos mit sich und seinen Verfehlungen ab, ohne sich zu rechtfertigen. Viel mehr versucht er, sich und sein Verhalten zu erklären. Gleichzeitig versäumt er jedoch nicht, mit seinem Bild in den Medien aufzuräumen und rutscht dabei stellenweise stark in eine Verteidigungshaltung ab. Das führe ich jedoch lediglich als Beobachtung und nicht als Kritik an – wer hätte nicht den Drang, Unwahrheiten, die über einen verbreitet wurden, aus dem Weg räumen zu wollen? Überhaupt empfand ich den Wunsch, sich erklären zu wollen, als eins der Hauptmotive für das Verfassen und Veröffentlichen von Beautiful Things.
Gleichzeitig sind Bidens Erzählungen eine große Liebeserklärung an seine gesamte Familie, die er immer wieder als schier unzerstörbare Einheit beschreibt. Insbesondere der letzte Teil, in dem er davon berichtet, wie ihm die Liebe aus der Sucht herausgeholfen hat, wirkt stellenweise etwas pathetisch und sehr amerikanisch. Auch, dass er seine Familienmitglieder stets als nahezu übermenschlich darstellt, war mir manchmal ein wenig zu viel des Guten. Im Kontext jedoch lässt sich seine Schilderung wohl mit der unermesslichen Erleichterung und Dankbarkeit erklären, die er nach dem Durchschreiten seiner Sucht empfindet.
Nachdem Hunter Biden in seinem Buch Trumps Frage „Where’s Hunter” hinreichend geklärt hat, beantwortet er ganz nebenbei auch die Frage, was er (neben seinen beruflichen Qualifikationen) beherrscht: das Erzählen. Seine Aufzeichnungen lesen sich spannend wie ein guter Roman und zwingen einen zum Weitermachen bis zum letzten Satz. Neben den Themen Liebe, Trauer und Kontrollverlust geht es immer wieder auch um die politische Arbeit der Familie Biden sowie um Bidens berufliche Aktivitäten, deren Beschreibungen auch aus einem Agententhriller stammen könnten.
Ein kurzes Zitat aus dem Buch
„Das Gegenmittel ist einfach: mehr. Aber je mehr du von einer Droge nimmst, desto weniger wirkt sie – es gibt für dich und dein Selbstwertgefühl immer weniger Knall fürs Geld. Aber auch dafür gibt’s ein Gegenmittel: viel mehr. Die Macht, nichts zu fühlen – wenn auch für immer flüchtigere Sekunden –, ist irgendwann die einzige Macht, die dir bleibt.”
(Hunter Biden, Beautiful Things, Hoffmann und Campe, Seite 162)
Infos zum Buch
Beautiful Things / Hunter Biden / Übersetzer*innen: Bernhard Robben, Kirsten Riesselmann und Gregor Hens / Hoffmann und Campe / 2021 / 352 Seiten / ISBN: 9783455011883 / Preis: 22,00 Euro / Jetzt online kaufen* /
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1 Comment
Zeilentänzerin
Wow, das klingt wirklich toll, was du vom Buch berichtest. Ich suche gerade mal wieder eines, dass ich verschlingen kann. Fällt mir derzeit schwer.