Gegenwartsliteratur

Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl ist ganz sicher der Roman, den ich das gesamte restliche Jahr über all denen empfehlen werde, die mich nach einem Buchtipp fragen. Besonders jenen, die sonst nicht so viel lesen und bei denen eine Empfehlung wirklich ein Treffer sein muss, weil es eben gegebenenfalls nur eins von fünf Büchern ist, die die Personen überhaupt im Jahr lesen.

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Inhalt kurz zusammengefasst

Wäre Marie nicht ungewollt von Alexander schwanger geworden, wäre Moritz nicht geboren worden. Hätten sie und Alexander und nicht geheiratet. Wären sie nicht in das kleine Dorf auf dem Berg gezogen. Wäre sie nicht eines Tages mit Moritz auf dem Spielplatz dem gleichaltrigen Raffael und dessen Mutter Sabrina begegnet. Hätte Marie nicht gesehen, wie Raffael seinen kleinen Bruder absichtlich und mit voller Wucht getreten hätte. Aber das Leben nimmt keine Rücksicht auf den Konjunktiv.

Und so beginnt die Freundschaft zwischen Moritz und Raffael mit den eiskalten blauen Augen, der Freude dabei empfindet, andere Kinder physisch und psychisch zu verletzen. Der sich schon als Kind jedem überlegen fühlt, inklusive den Erwachsenen, die gegen das Boshafte in ihm vorgehen möchten – und es irgendwann bleiben lassen. Es ist eine Freundschaft, die den Namen nicht verdient, weil sie nie gleichberechtigt war und nie auch nur den Hauch einer Chance hatte, es zu werden: Raffael ist brutal, arrogant und genießt es, Schwächere zu dominieren. Moritz hingegen ist sensibel, künstlerisch begabt und sehr empfindsam; er hat unter anderem die Fähigkeit, farbige Auren um Menschen herum zu sehen und aus ihnen beispielsweise die Stimmung der Person abzulesen oder wahrzunehmen, ob sie die Wahrheit sagt oder nicht.

„Einst war Raffael knospengrün, raupengrün, wie Zuckererbsen in ihrer frisch geöffneten Schote, an manchen Tagen limonenhell. Schwarze Flecken hat das Grün bekommen, wie Schimmel. (…) Etwas ist passiert. Er weiß, dass Raffael nicht schläft. Er erkennt es an den aufleuchtenden Spritzern, die durch das Grün schießen. Keiner sagt ein Wort.” (S. 39)

Die beiden werden erwachsen, verflechten sich in einem Netz aus Geheimnissen, Lügen und emotionaler Brutalität, bis Raffael eines Tages nach Wien verschwindet und den Kontakt abbricht. Jahre später steht er plötzlich vor Moritz‘ Wohnungstür und lässt die Bombe platzen.

Wie war Dunkelgrün fast schwarz?

Kann es sein, dass ein Kind von Geburt an bösartig ist? Was macht man, wenn man es als Eltern bemerkt? Und wie setzt sich das Leben eines solchen Kindes fort, welche Auswirkungen wird es auf die Leben anderer haben? Das erste Buch, das ich zu genau diesen Fragestellungen gelesen habe, war Einer von uns. Das zweite Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl. Und obwohl beide völlig andere Antworten auf diese Fragen geben, haben sie eins gemeinsam: Sie haben mich beide auf eine fast gruselige Art fasziniert.

Mareike Fallwickl hat es geschafft, einen bemerkenswerten und unglaublich spannenden Roman über eine toxische Dreier-„Freundschaft” zu schreiben. Zahlreiche Zeit- und Perspektivenwechsel verleihen ihm die nötige Dynamik und für den Rest sorgt die sehr kreative Sprache, die man meiner Meinung nach als Stoff für ein Lehrbuch zum Thema „Gelungene Vergleiche und Personifizierungen” hernehmen könnte, würde es denn ein solches Lehrbuch geben.

Und falls nun noch jemand Bedenken ob der 475 Seiten haben: Je weiter die Handlung voranschreitet, umso mehr nimmt die Geschichte an Fahrt auf. Ich musste mich gegen Ende regelrecht zwingen, mich nicht zu hetzen, damit mir bei all der Neugier und dem daraus resultierenden Drang, das Buch schnell zu beenden, auch ja nichts von dem so sehr gelungenen Schreibstil entgeht, der Mareike Fallwickels Roman zu einem echten Schmuckstück macht.

Daumen hoch!

Kurzes Zitat

Sie setzten sich auf die Leiter, die zum Baumhaus hinaufführte, und ließen die Beine in der Luft baumeln. Die Langeweile der Sommertage war wie eine alles umwickelnde Folie, man konnte sich nur langsam bewegen darin. Aber im Wald war es wenigstens nicht so heiß wie auf der Wiese, die Baumwipfel bildeten ein Schutzdach, eine lebende Markise.
(Mareike Fallwickl, Dunkelgrün fast schwarz, S. 43)

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Infos zum Buch

Dunkelgrün fast schwarz / Mareike Fallwickl / Frankfurter Verlagsanstalt / 05.03.2018 / 480 Seiten / ISBN: 9783627002480 / Preis: 24,00 Euro / Jetzt online kaufen* /

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