Rezensionen

Alex Capus – Das Leben ist gut

Meine Vorfreude auf „Das Leben ist gut” von Alex Capus war groß, nachdem ich vor einigen Monaten „Léon und Louise” gelesen und für großartig empfunden habe. Im Gegensatz zu letzterem spielt „Das Leben ist gut” durchgängig in der heutigen Zeit, aber das tut dem Ganzen absolut keinen Abbruch – Capus‘ Handschrift und vor allem Humor sind unverkennbar.

Alex Capus - Das Leben ist gut - schonhalbelf - Buchkritik, Kritik, Rezension

Inhalt kurz zusammengefasst

Max ist seit fünfundzwanzig Jahren glücklich mit Tina verheiratet und hat mit ihr drei gemeinsame Söhne. Eigentlich arbeitet er als Schriftsteller, betreibt jedoch nebenbei eine Bar – oder ist es ehrlicherweise nicht vielleicht doch umgekehrt? Macht nichts, denn Max ist Barbesitzer aus Überzeugung, weil er sich „ein Leben ohne eine gute Bar nicht vorstellen kann.” (S. 37)

Eigentlich ist alles gut, bis seine Frau einen Lehrauftrag an der Universität Paris-Sorbonne erhält und die Beziehung von Montag bis Donnerstag zur Fernbeziehung wird.

Man könnte meinen, dass sich der Roman daraufhin darum drehe, wie Max diese Veränderung verkraftet, doch interessanterweise nimmt die plötzliche räumliche Trennung als Thema an sich einen verschwindend geringen Anteil ein. Vielmehr geht es um Max‘ Erlebnisse und Gedanken in seiner Bar; man hat zunächst das Gefühl, er denke über alles nach, nur nicht über seine Fernbeziehung und den damit verbundenen Verlust. Nach und nach merkt man jedoch, dass der erste Tag ohne seine Frau ein so einschneidendes Erlebnis für ihn ist, dass diesem ersten Tag knapp 100 der insgesamt 240 Seiten gewidmet sind.

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Wie war’s?

Ich liebe Capus‘ Stil und feinsinnigen Humor! Auch in „Das Leben ist gut” schreibt er zunächst behutsam und vorsichtig, als sei er sich nicht sicher, ob das, was er da gerade zu Papier gebracht hat wirklich gut ist und ob seine Leser das, was er eben geschrieben hat, auch so lustig finden wie er. Wäre Capus Hamburger, würde man ihm wohl nordisches Understatement attestieren.
Doch je mehr Seiten man umgeblättert hat, umso sicherer scheint sich Capus seines Könnens zu werden und traut sich jetzt, seine bis ins Feinste ausgearbeiteten Gedankengänge und Dialoge geradezu zu zelebrieren. Wenn man denkt, er hat eine Szene auf die Spitze getrieben, geht er mit einer Lupe nochmal näher an die Spitze heran, um sie zu beschreiben.

Außerdem arbeitet er (wage ich zu behaupten) mit den schönsten Personifizierungen, die man sich vorstellen kann. „Die linke Seite des Kaufhauses ist noch nahezu unversehrt, ein roter Bagger streckt sein stählernes Gebiss in die Höhe und knabbert an Regenrinnen, Armierungseisen und erblindeten Leuchtreklamen.” (S. 14)

So viel zum Stil. Doch was ist mit der Handlung? Man muss sich kurz auf das Dahinplätschern des Romans einstellen, wobei ich das Dahinplätschern keineswegs negativ meine. Ich schätze nur, dass ein Großteil der Leser – genau wie ich zu Beginn – einen typischen Erzählablauf nach dem Schema der Heldenreise erwartet. Ausgangspunkt ist eine normale bis langweilige Welt, in der der Held sich befindet, plötzlich kommt eine Herausforderung auf ihn zu, der er sich zunächst verwehrt usw. Doch dem ist nicht so. Max ist nicht unglücklich, er steckt nicht in einer plötzlichen Krise, er verwehrt sich der Situation nicht. Er nimmt sie hin, arbeitet weiter in seiner Bar, „erfreut” sich weiter an seinen pubertierenden Söhnen, macht sich weiter Gedanken über Themen, über die er immer nachzudenken scheint.
Das muss man akzeptieren und hat man es akzeptiert, liest man einen wunderbar entspannten, erfrischenden und vor allem unterhaltsamen Roman, der die Schönheit des Alltags, Freundschaften und die Liebe zelebriert. Keinen Roman voller Drama, Herzschmerz und emotionaler Zerreißproben. Sondern einfach einen verdammt gut geschriebenen, verdammt schönen Roman.

[eltdf_custom_font content_custom_font=“Eine kurze Passage aus dem Buch“ custom_font_tag=“h4″ font_family=““ font_size=““ line_height=““ font_style=“normal“ text_align=“left“ font_weight=““ color=“#5bd5b4″ text_decoration=“none“ letter_spacing=““]Man muss das verstehen. Tina ist ein ideal gesinnter Mensch, deswegen erträgt sie die fallweise Unzulänglichkeiten alles Irdischen nur schwer. Die Lederjacke, mit der sie glücklich wäre, müsste ein zartes Nappajäckchen sein, das gleichzeitig eine schwere Fliegerjacke wäre. Tinas Badeanzug soll ihre Figur betonen, diese aber auch kaschieren. (…) Wenn sie sich einen Ort zum Leben aussuchen dürfte, wäre es ein urbanes Landhaus auf der grünen Wiese mit Sicht auf den Ozean im Herzen von Paris oder London.
(Alex Capus, Das Leben ist gut, Seite 74)

Infos zum Buch

Das Leben ist gut / Alex Capus / Hanser / 2016 / 240 Seiten / ISBN: 978-3446252677 / Preis: 20,00 Euro /

5 Comments
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5 Comments

  • Cora

    Mir geht es mit dem Buch genauso wie dir! Ich habe es geliebt, aber an die Spannungslosigkeit muss man sich dennoch erst einmal gewöhnen. Es ist ein ganz anderes Buch, als ich gewohnt lese und für mich aber gerade dadurch ein ganz besonderes :-). Die Textstelle, die du rausgesucht hast, finde ich richtig klasse. Ich habe sie mir auch markiert und mich ein bisschen darin wiedergefunden :-D.
    Lg Cora

    • schonhalbelf

      Hallo Cora, freut mich, dass wir da eine Meinung teilen. 🙂 Ich habe mich auf den Seiten über Max‘ Frau auch sehr ertappt gefühlt, haha. Erinnerst du dich auch an den Part mit ihren Winterstiefeln und wie diese sein sollen? Kann ich 1:1 nachvollziehen. Und die PERFEKTE neue Lederjacke habe ich auch immer noch nicht gefunden, woran das wohl liegt … 😉 Viele Grüße!

  • Alexandra

    Hmm, eine wirklich gute Rezension. Du hast mich zwar vom Lesen abgebracht (Sorry!) aber deine Begründung hat mir ganz gut gezeigt, dass das (im Moment) kein Buch für mich wäre. Und immerhin habe ich jetzt eine gute Ahnung davon, wann und wie man das mögen kann. Denn Capus („Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ habe ich geliebt) ist tolles Futter für hungrige Leseratten!

    Liebe Grüße aus dem Rattenbau,
    Alex

    • schonhalbelf

      Hallo Alexandra,
      vielen Dank für deinen Kommentar und dein Lob!
      Schade, dass dich der Artikel nicht zum Lesen motivieren konnte, aber wenn er dir eine Orientierungshilfe war, hat er ja trotzdem seinen Zweck erfüllt. 🙂
      „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer” kenne ich leider noch nicht von ihm.
      Viele Grüße
      Inga

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